Patient stellt persönliche Fragen

3. Informationstext

Es kommt nicht selten vor, dass Patienten dem Therapeuten während der Therapie persönliche Fragen stellen. Dies geschieht meist vor dem einfachen Hintergrund, dass sie einfach etwas über den Therapeuten erfahren möchten, da dieser eine wichtige Bezugsperson für den Patienten darstellt.

Dabei ist dem Therapeuten selbst überlassen, was und wie viel er von sich preisgeben möchte. Wenn er sich dazu entscheidet, etwas nicht zu beantworten, sollte er dies auch begründen und seine persönlichen Grenzen klar machen. Meist werden von Therapeuten Fragen, wie „Haben Sie eigentlich Kinder?“ oder ähnliches beantwortet, da diese nicht allzu persönlich sind (vgl. Noyon & Heidenreich 2020).

Bei persönlicheren Fragen stellt sich oft die Frage nach dem Grund für den Patienten, diese zu stellen. Dabei sollte der Hintergrund für diese Frage abgeklärt werden und welche Bedeutung diese für den Patienten hat (vgl. Noyon & Heidenreich 2020). Dies ist auch wichtig für die weitere Therapiearbeit. Dennoch wird bei sehr persönlichen Fragen eventuell empfohlen, diese nicht preiszugeben (vgl. Sonnenmoser 2010).

Die Beantwortung solcher Fragen kann aber auch Vertrauen zwischen Patient und Therapeut schaffen und so die therapeutische Beziehung verbessern. Patienten empfinden ihren Therapeuten dann meist nahbarer und sympathischer, wenn dieser etwas von sich preisgibt. Das führt auch häufig dazu, dass der Patient sich dem Therapeuten gegenüber schneller öffnet (vgl. Sonnenmoser 2010). Somit kann die Selbstoffenbarung des Therapeuten auch einen Teil der Therapiearbeit ausmachen und diese somit weiterbringen.

Allerdings sollte der Therapeut sich immer bewusst sein, dass eine gewisse Selbstöffnung nicht immer ohne Risiken ist. Der Patient könnte einige Informationen eventuell falsch auffassen und das Gefühl entwickeln, dass der Therapeut zu viel mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt dem Patienten seine Aufmerksamkeit zu schenken. Auch könnte das Problem entstehen, dass der Patient in gewissen Lebensfragen dem Therapeuten nacheifern möchte, so dass eigene Entwicklungsschritte des Patienten so umgangen würden, was fatal für den Therapieerfolg wäre. Insgesamt sollte die Selbstöffnung des Therapeuten keinen allzu großen Teil der Therapie einnehmen.

Exkurs:

Das Gegenteil von Selbstöffnungen ist gewissermaßen die sog. therapeutische Abstinenz, wie sie in der traditionellen Psychoanalyse vertreten wird bzw. wurde. Hier sollte der Psychoanalytiker nach diesem Verständnis keinerlei persönliche Dinge zeigen oder einbringen. Nur so – gewissermaßen als weiße Projektionsfläche – könne der Patient dann sein Inneres auf den Psychoanalytiker projizieren. Ein (zu) streng verstandenes Abstinenzangebot hat aber in der Geschichte der Psychoanalyse auch leider bei Patienten den Eindruck fehlender Empathie und Therapieabbrüche-/ bzw. Fehler geführt, da der Patient kein menschliches Gegenüber, sondern oft nur einen „Eisblock“ erlebt hat. Hier kam es zu einem Umdenken in den psychoanalytisch begründeten Psychotherapieverfahren.

In der neueren analytischen Richtung der sog. Relationalen Psychoanalyse (Mitchell) sind Selbstöffnungen des Therapeuten durchaus erlaubt und gewollt. Diese heißen im Englischen „Self disclosure“. Bei diesen Selbstoffenbarungen äußert der Therapeut eigene Gefühle und Gedanken, um die Untersuchung des Beziehungsgeschehens zu fördern. Bei der Selbstoffenbarung geht es nicht darum, Rede und Antwort zu stehen, sondern nur um das Ziel – wie bei sämtlichen anderen Interventionen – die Förderung des Selbstreflektierens (Mentalisieren). Das heißt, der Therapeut bedient sich dieser Intervention dann, wenn es den Zugang zu Gedanken und Gefühlen des Patienten und den gemeinsamen Prozess des Nachdenkens darüber fördert. Menschlichkeit, Authentizität und interaktive Resonanz spielen eine immer größere Rolle: In der neueren psychodynamischen (tiefenpsychologisch/psychoanalytisch) Literatur finden sich darüber hinaus auch Bücher wie „Der authentische Psychotherapeut“ (von Micha Hilgers).