Patient sucht Körperkontakt
3. Informationstext
Körperkontakt in der Psychotherapie ist ein nicht leichtes, meist heikles Thema. Es kann indes vorkommen, dass Patienten von sich aus Körperkontakt zum Therapeuten suchen. Dies kann zum Beispiel in Form von Umarmen, Hand halten oder nah beieinander sitzen vorkommen. Dies kann sich z. B. ereignen, wenn der Patient in einem besonderen Moment besonderen emotionalen Halt benötigt oder in einem tiefen Moment der Einsicht die Verbundenheit mit dem Therapeuten körperlich ausdrücken möchte.
Zu dieser Art leichten und vom Patienten gesuchten Körperkontakt gibt es keine klaren Vorschriften, der Therapeut sollte selbst entscheiden, wann und ob o. g. Körperkontakt angebracht ist (vgl. Young 2009). Dabei sollte ein Wunsch nach Körperkontakt nie vom Therapeuten ausgehen. Dies wäre ein Verstoß gegen die psychotherapeutische Berufsordnung. Diese sagt in § 6 Abstinent Absatz 2: Psychotherapeuten „dürfen die Vertrauensbeziehung von Patienten nicht zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse missbrauchen.“
Meist hängt die Haltung des Therapeuten, wenn der Patient o. g. Körperkontakt sucht, von der von ihm praktizierten Psychotherapierichtung ab. Hier gibt es große Unterschiede.
In der analytischen Psychotherapie nach Freud wird beispielsweise Körperkontakt als „no-go“ und als Verstoß gegen die „Abstinenzregel“ verstanden (Aspekt Sexualisierung) (vgl. Bartsch 2017). In der Verhaltenstherapie hingegen wird Körperkontakt manchmal angewendet. Meist dient dieser Körperkontakt dann der Herstellstellung einer guten und vertrauensvollen therapeutischen Beziehung. Daher wird dieser häufig nur in der Anfangsphase der Therapie verwendet und danach wieder unterlassen (vgl. Young 2009). In der Körperpsychotherapie spielt der Körper eine besondere Rolle (hierzu später mehr).
Der Körperkontakt kann aber auch als Technik für andere wichtige Dinge verwendet werden, wie das Erlernen des Patienten, dass Körperkontakt ein wichtiges menschliches Bedürfnis ist (vgl. Young 2009).
Grundsätzlich sollte der Therapeut den Körperkontakt nur zulassen, wenn sichergestellt ist, dass keine sexualisierte Interpretation entsteht (vgl. Young 2009). Auch sollte der Therapeut dem Wunsch des Körperkontakts nicht nachgehen, wenn er seine eigenen Bedürfnisse damit befriedigt (vgl. Bartsch 2017) oder diese aus einem Verliebtheitsgefühl des Patienten entspringt (vgl. Young 2009).
Körperkontakt ist in der Psychotherapie ein heikles Thema, da der Patient dem Therapeuten z. B. auch sexuelle Nötigung vorwerfen könnte (vgl. Young 2009).
Grundsätzlich sollte dieser Wunsch des Patienten nach Körperkontakt während der Therapiesitzungen aufgefasst und besprochen werden. Mitunter beruht dieser Wunsch auf dem Hintergrund, dass der Patient außerhalb der Therapie keine Bezugsperson hat und somit auch keine körperliche Nähe erlebt.
Der Therapeut kann also immer selbst entscheiden, ob und welche Art von Körperkontakt er zulässt bzw. anwendet. Dabei sollte er dann auch die Grenzen klar definieren und die Gründe dafür erläutern (vgl. Young 2009).
Exkurs Körperpsychotherapie:
In der Körperpsychotherapie spielt der Körperkontakt seit jeher eine besondere Rolle. Im Störungsverständnis dieser Therapie-Richtung geht man davon aus, dass innere Konflikte zu emotionalen Spannungen führen, die im Körper (genauer: z. B. in angespannter Muskulatur) gespeichert werden (Stichwort: Körpergedächtnis). Wenn man diese körperlichen Spannungen durch gewisse Übungen in der Therapie löst, lösen sich auch die hierdurch abgewehrten Gefühle, so dass der eigentliche Grundkonflikt erlebbar, verstehbar und bearbeitbar wird. Für solche regressiven Prozesse stellt die Körperpsychotherapie eine Vielzahl an sehr effektiven Übungen zur Verfügung, bei denen es auch um „Anfassen“ geht, also z. B. Halteübungen, bei denen der Therapeut den Rücken des Patienten hält. Hier wird der Körper zum einen als diagnostisch und aber auch therapeutisch eingesetzt.
Beachten Sie zum Weiterlesen und Vertiefen die Links und Literaturhinweise am Ende des Kapitels.