3. Informationstext

Wenn ein Patient äußert, dass er sich in den Therapeuten verliebt hat, stellt dies erstmal eine Situation dar, bei der auch der Therapeut vielleicht nicht direkt weiß, wie er darauf reagieren soll. Als erstes ist es wichtig, diese Selbstöffnung des Patienten freundlich zu würdigen und ihm für seine Offenheit zu danken. Denn dieses Thema ist in der Regel stark schambesetzt und der Patient kann mit der Nachricht lange gerungen haben, weil es ihm peinlich ist. Auch kann man als Therapeut erstmal vermitteln, dass man einen kurzen Moment braucht, um diese Information zu verarbeiten, um angemessen darauf zu reagieren. Dabei sollte dieser Moment allerdings nicht zu lange dauern.

Wichtig ist es danach, sich selbst und seine Gefühle klar zu positionieren, dass man selbst nicht in den Patienten verliebt ist und, dass für einen selbst die professionelle therapeutische Beziehung von großer Bedeutung ist. Dabei ist es wichtig, den Patienten auch zu fragen, wie er nun mit damit umgeht und wie er sich dabei fühlt (vgl. Noyon & Heidenreich 2020).

Auch die Abklärung des Hintergrunds für diese Äußerung des Patienten (also was ging dem Gefühl des Verliebtseins in der Therapie ggf. voraus etc.) ist wichtig, warum war es für den Patienten wichtig, dies dem Therapeuten mitzuteilen.

Eine Entkatastrophisierung ist auch von großer Bedeutung. Während einer Therapie können häufig die Gefühle und Gedanken des Patienten durcheinandergebracht werden, welche dieser erst einmal wieder neu ordnen muss. Dabei können starke (mitunter idealisierende) Gefühle auftreten, welche auf den Therapeuten projiziert werden. Der Therapeut stellt eine wichtige Bezugsperson für den Patienten dar, da dieser sich ganz dem Patienten widmet und versucht, ihm zu helfen und ihn zu unterstützen (vgl. Noyon & Heidenreich 2020).

Im weiteren Verlauf der Therapiestunde ist es wichtig, gemeinsam zu besprechen, welche Auswirkungen diese Neuigkeit/Nachricht für den Patienten auf den Fortlauf der Therapie hat und wie damit umgegangen werden soll. Möglicherweise fühlt der Patient sich nun so emotional verletzt oder beschämt, dass er lieber zu einem anderen Therapeuten gehen würde. Wenn sich dieses Gefühl nicht verringern, sollte auch über einen Therapeutenwechsel nachgedacht werden, wobei der Therapeut mit dieser Entscheidung respektvoll umgehen sollte und dies nicht als persönliche „Niederlage“ empfinden sollte.

Wenn der Patient sich allerdings in dieses Verliebtheitsgefühl „reinsteigert“ und die Grenzen des Therapeuten nicht akzeptiert, ihn zum Beispiel anfängt zu „stalken“ (Sonderfall ist der pathologische Liebeswahn), kann die Therapie auch von Seiten des Therapeuten beendet werden. Dabei ist wichtig, dass der Therapeut sich auch selbst in dem Verhältnis der therapeutischen Beziehung wohlfühlen muss und wenn dies für ihn nicht mehr der Fall ist, diese auch beenden kann.

Jedem Therapeuten sollte bewusst sein, dass eine solche Äußerung eines Patienten nicht selten vorkommt und somit auch eventuell auch auf Anzeichen achten und diese bei dem Patienten ansprechen. Natürlich kann der Therapeut sich auch an Kollegen oder andere Vertrauenspersonen wenden, wenn er sich nicht sicher ist, wie er damit umgehen soll.

In den psychoanalytisch begründeten Psychotherapieverfahren gibt es in diesem Kontext den Begriff der „Übertragungsliebe“. Hierunter verstehe man eine besondere Form der Übertragung auf den Therapeuten, die unterschiedliche unbewusste psychodynamische Funktionen oder Bedeutungen haben kann. Dieses Thema ist komplex und kann in diesem Rahmen nicht erschöpfend behandelt werden. Es wird auf die Link-Sammlung und die umfassende Fachliteratur zum Thema verwiesen.

Das bekannteste bzw. berühmteste historische Beispiel einer gegenseitigen Übertragungsliebe in der Psychotherapiegeschichte ist die intime Beziehung zwischen dem Psychoanalytiker C. G. Jung und seiner jungen Patientin Sabine Spielrein. Dieser psychotherapeutische Kunstfehler stammt aus der Frühzeit der Psychoanalyse und wurde im Hollywood-Spielfilm „Eine dunkle Begierde“ verfilmt. Sabine Spielrein wurde eindrucksvoll gespielt von der US-amerikanischen Schauspielerin Keira Knightley.